Abschiedsbrief an den Alkohol

Unser Bewohner, Johann X., hat uns seinen Abschiedsbrief an den Alkohol, die Droge zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

Diese Übung ist eine Aufgabe im Rahmen der Einzel- oder Gruppenarbeit. Für viele Bewohner/-innen ist der Alkohol die Droge zu einem verlässlichen Begleiter im Leben geworden. Eine Trennung vom Freund "Alko", von der Freundin "Cristine" oder von der Freundin "Heroine" ist auch mit Trauer, Schmerz und Wut verbunden. Und auch an gemeinsame angenehme und gute Zeiten gilt es zu erinnern. 

"Lieber Alkohol,

über viele Jahre hast Du mich begleitet. Du warst mein bester Freund und ich konnte in allen Lebenslagen auf Dich zurückgreifen. Du warst mein Trost, mein Halt und die Ablenkung von meinen Problemen. War ich traurig, standest Du mir sofort zur Seite und hast mich wieder aufgebaut. Und in freudigen Situationen warst Du mein ganz besonderer Kick, meine Belohnung. Manchmal hast Du mich auch einfach nur in einen traumlosen Schlaf gewiegt. Nie hast Du mich allein gelassen, warst Du doch überall - in so zahlreichen Verführungen - verfügbar. Du hast mich sogar auf meinen Reisen begleitet: Als simples Dosenbier am Strand, während die Sonne am Horizont unterging. Auch auf Partys warst Du ständig um mich herum. Und viele meiner Freunde waren genau so fasziniert von Dir wie ich. Kurz gesagt: Du warst immer in meiner direkten Nähe. Nie hätte ich Dir böse Absichten unterstellt, dafür war ich viel zu vernarrt in Dich. Das Deine Absichten nicht gut waren, war mir lange Zeit unklar. Und als ich endlich bemerkt habe, dass Du kein guter Freund für mich warst, war es längst zu spät. Du wolltest mich einfach nicht mehr loslassen, hast Du mich in Deine Klauen gepackt und gehalten und mir ständig falsche Worte ins Ohr geflüstert. Völlig verdrehte Wahrheiten und Schuldgefühle, die mich noch abhängiger von Dir machen sollten. Und plötzlich warst Du kein Trost für mich, sondern mein Gefängniswärter. Die Zelle um mich herum wurde immer kleiner. Irgendwann warst Du riesengroß und von mir war kaum mehr etwas übrig. Ich war nur noch ein zitterndes Häufchen Elend - ohne ein soziales Leben oder eine Perspektive. All das hattest Du mir genommen - während ich in Deinem Gefängnis saß und immer einsamer wurde. Doch dann kam irgendwann "die Erkenntnis". Deine Mauer und Gitterstäbe waren Illusionen. Ich hätte sie jederzeit verlassen können. Doch dieser erste Schritt war ein schwerer. Aber ich habe Dich abgeschüttelt. Ich habe gekämpft und mit Dir gerungen, bis Du mich endlich losgelassen hast. Zum Schluss würde ich Dir gerne noch sagen, dass es eine schöne Zeit mit Dir war - doch das wäre eine Lüge. Ich bin mehr als froh darüber, Dich endlich los zu sein. Ich bin bereit, Dich loszulassen, obwohl Du mich wohl nie loslassen wirst. Doch damit werde ich Leben können. Ich schaffe das - sei Dir gewiss!

Also hebe ich mein Glas - das mit Wasser gefüllt ist - auf Dich und auf ein Nimmerwiedersehen!

Dein Johann"

 

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